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Patentiertes Guricke-Klavier im Bürgerhaus ausgestellt

Ab sofort ist ein altes Klavier des Instrumentenmachers Bernhard Guricke zu öffentlichen Veranstaltungen im großen Saal des Bürgerhauses Wünsdorf zu sehen. Guricke hatte nachweislich ein solches Klavier  mit patentierter Technik 1851 auf der 1. Weltausstellung in London ausgestellt. Auch wenn man den Namen von Bernhard Guricke, einem am 6. Mai 1823 in Zossen als Sohn des damaligen Kämmerers der Stadt, Friedrich Wilhelm Guricke,  geborenen Klavierbauers vergeblich bei Wikipedia sucht, ist seine Biografie - soweit nachvollziehbar -  mindestens ebenso  spannend wie seine technische Erfindung, die ihm  nachweislich  patentiert  wurde. Im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz existiert eine Patentschrift aus dem Jahr 1849, in der es heißt:

Der Instrumentenmacher B. Guricke zu Zossen ist unter dem 30. April 1849 ein Patent auf eine niederschlagende Mechanik bei Flügeln und Fortepiano’s, insoweit solche in der durch Zeichnung und Beschreibung nachgewiesenen Zusammensetzung für neu und eigenthümlich erkannt worden ist, so wie auf eine durch Zeichnung und Beschreibung erläuterte, in ihrer ganzen Zusammensetzung für neu und eigenthümlich erkannte Doppel- oder Harfen-Resonanz, auf sechs Jahre, von jenem Tage an gerechnet, und für den Umfang  des Preußischen Staats ertheilt worden.

Gurickes „Grand piano in rosewood“ - ein Rosenholzklavier mit „powerful mechanism“ sorgte auf der Weltausstellung für Aufsehen bei den Experten.  Sein Name findet sich unter der Rubrik „Zollverein und Hamburg“ in trauter Gesellschaft mit Ausstellern aus Münster, Wesel am Rhein, Berlin und Merseburg. So weit so gut. Im Jahr 2012 hatte sich eine Frau aus Leipzig in der Lokalredaktion Zossen der  MAZ gemeldet und geschrieben, dass sie zufällig ein echtes Guricke-Klavier in ihrer kleinen Wohnung zu stehen habe. Daraufhin wurden die Recherchen nach dem Mann intensiviert, dessen Spur sich aber  irgendwann verlor. 2013 schließlich ließ die Stadtverwaltung Zossen das Klavier aus Leipzig holen - dank fachmännischem Transport einer Spezialfirma -,  nachdem Zossener Bürger einem Aufruf der Lokalzeitung gefolgt waren und für das sehr gut erhaltene Stück gesammelt hatten. Dem Klavier wurde ein bemerkenswert optisch guter Zustand mit sehr schöner Maserung bescheinigt. Die vergilbte, noch original erhaltene Tastatur ist aus Elfenbein. Keine Spur von Wurm im Holz. Dem Innenleben sieht mal allerdings schon das Alter an. Ein handschriftlicher Vermerk im Inneren des Instruments bestätigt:   Am 20. 8. 64 das letzte Mal gestimmt. Als die Leipzigerin das Klavier 2010 für zwei chinesische Gaststudenten stimmen lassen wollte, rieten ihr renommierte Klavierstimmer davon ab. Man würde der noch original vorhandenen Unterdämpftechnik keinen Gefallen tun, hieß es damals. Beim Unterdämpfer-Klavier sitzen die Dämpfer unterhalb der Hämmer, die man an ihrer elliptischen Form gut erkennen kann.

Seit dem Transport von Leipzig in die Heimatstadt seines Erbauers stand das Guricke-Klavier im Raum der Ortschronisten im Wünsdorfer Bürgerhaus und wartete darauf, der Öffentlichkeit präsentiert zu werden. Anlässlich des Jubiläumsjahres 2020 - 700 Jahre urkundliche Ersterwähnung Zossens -  ist das gute alte Stück nun im Saal des Bürgerhauses zu sehen, mit entsprechenden Infos zur Geschichte seines Erbauers. Die Suche nach einem anderen Standort für das historische Instrument war zuvor erfolglos. Betrachter werden freilich gebeten, das historische Instrument mit gebührendem Respekt - bitte nur mit den Augen berühren - zu behandeln.

Hintergrund: Nachdem die Geschichte von Bernhard Guricke vor Jahren publik wurde, hatte sich Karin Carlsson, geborene Guricke, gemeldet. Sie selbst wohnte zu diesem Zeitpunkt  im schwedischen Helsingborg. Bernhard Guricke, so schrieb sie, sei ihr Urgroßvater. Viel wisse sie auch nicht über ihn, denn die Familie habe nichts von ihm erzählt. „Es ist ein Rätsel“, meinte sie. Und doch waren Karin Carlssons biografische Angaben zu ihrem Urgroßvater wieder ein paar wertvolle Teile in einem noch lange nicht vollendeten Puzzle. Demnach wurde Wilhelm Karl Bernhard Guricke am 6. Mai 1823 in Zossen geboren. Seine Eltern waren Friedrich Wilhelm Guricke – einst Stadtkämmerer in Zossen – und Charlotte Wilhelmine, geborene Fouquet. Bernhard Guricke hatte fünf Geschwister – zwei Schwestern und drei Brüder. „Wo er das Klavierbauen gelernt hat, weiß ich nicht“, so seine Urenkelin. Am 25. April 1854 heiratete Guricke in Hamburg eine Friederike Elisabeth Caroline, geborene Appel. Deren Vater soll zwei große Häuser in der Rathausstraße und eine Segelmacherei mit 30 Angestellten gehabt haben. Carlsson bestätigte frühere Recherchen, wonach ihr Urgroßvater unter anderem in Klavierfabriken in Paris und London gearbeitet haben soll. In der Zeit zwischen 1855 und 1860 war er in Leipzig tätig. In dieser Zeit wurden auch fünf seiner Kinder geboren. Später kamen vier weitere Kinder zur Welt, unter anderem eine Tochter und ein Sohn im sächsischen Glashütte, wo Guricke nach Angaben seiner Urenkelin 1872 ein Grundstück von Moritz Grossmann, dem Gründer der Deutschen Uhrmacherschule in Glashütte, gekauft haben soll. Dort in der Dresdner Straße 29 errichtete Guricke eine Klavierfabrik. „1900 wurde das Haus verkauft“, so Karin Carlsson. „Vermutlich haben der Sohn Arthur G. und sein Bruder Rober G. – mein Großvater – von der Pianoforte-Fabrikation abgelassen und sich der Uhrengehäuse-Produktion zugewandt“, so die Schwedin. In der Kunsttischlerei Guricke sei unter anderem das Gehäuse der berühmten Hermann-Goertz-Uhr gefertigt worden. Sie steht heute im Uhrenmuseum in Glashütte. Wie Karin Carlsson damals weiterhin schrieb, starb ihr Urgroßvater am 27. August 1906 in Leipzig.

Pressemitteilung vom 24. September 2020, 14.50 Uhr

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